Kleiner SC Ohlsbach unter den Großen auf Rang 5
Die 18 qualifizierten Teams kamen auch aus renommierten Clubs in Bremen, Hamburg, Dresden und München – umso erstaunlicher ist der 5. Platz des SC Brandeck-Turm Ohlsbach bei den Deutschen Vereinsmeisterschaften. Im Dezember sollte diese DM in der Altersklasse unter 12 Jahren stattfinden, was nun mit acht Monaten Verspätung an vier Spieltagen in Magdeburgs Maritim-Hotel nachgeholt wurde.
Vorwiegend Großvereine an den Brettern
Vorwiegend an den Brettern war der Nachwuchs von Großvereinen aus Großstädten oder Vereinen mit finanzstarken Sponsoren. Der Hamburger SK mit über 700 Mitgliedern behauptete seine Rolle als U12-Dauermeister und holte 12 Match- und 20,5 Brettpunkte in sieben Spielrunden. Im Herbst 2020 bei Badens U12-Meisterschaften lösten aber auch der SV Vimbuch als Meister und der SC Brandeck-Turm Ohlsbach als Zweiter die DM-Tickets, Badens Großvereine aus Karlsruhe und Baden-Baden hatten das Nachsehen.
Diese DM erforderte strenge Hygiene-Regeln: täglicher Schnelltest bei Jugendlichen und Betreuern, Maskenpflicht selbst am Brett, Trennscheibe mit Mini-Spalt zwischen den Spielern, Zutritt zum Saal nur für einen Betreuer pro Club. Die Spieler aber waren einfach glücklich, wieder mal einen Wettkampf an einem echten Schachbrett zu bestreiten.
Jeder Zug live im Internet
Mit fünf Jugendspielern und elterlicher Begleitung reisten die Ohlsbacher an. Zudem hatte der Verein für dieses Ereignis Schach-Großmeister Ilja Zaragatski als Trainer und Betreuer verpflichtet. An Brett 1 und Brett 2 spielten die 12-jährigen Zwillinge Julius und Johannes Semling, an Brett 3 und Brett 4 abwechselnd Aron Felder (11), Aryana Baihaghi (10) und Arash Baihaghi (9) – und zwar an elektrischen Brettern. Jeder Zug wurde mit Kommentierung übertragen und live ins Internet gestellt, so dass jeder, der wollte, mitschauen konnte. „Eine tolle Sache für alle Außenstehenden, was jedoch noch mehr Nervenstärke am Brett erfordert“, so Eva-Maria Semling, die nicht zuletzt als Mutter mitfieberte.
Knappes 1,5:2,5 gegen Meister Hamburger SK
Ohlsbach hatte das Pech, gleich gegen den späteren Meister antreten zu müssen. Die Kinzigtäler waren vor dem Spiel gegen die Hamburger besonders aufgeregt. Dennoch wäre fast eine Überraschung gelungen. Dieses 1,5:2,5 löste zwar Enttäuschung aus, andererseits wuchs das Selbstvertrauen, weil man gegen den Stärksten nur knapp verloren hatte. Gegen SK Kelheim gelang der erste Sieg, ein 2,5:1,5.
Am zweiten Tag lief es nicht mehr so gut. Einem 1,5:2,5 gegen die Schachvereinigung Plettenberg folgte ein unnötiges 2:2 gegen SV Hellas Nauen. Damit war das Ziel, einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen, in Gefahr. Ein ehrgeiziges Ziel, denn bei der durchschnittlichen DWZ (deutschen Wertungszahl), die die Leistungsstärke der Spieler anhand vergangener Ergebnisse misst (wie das Handicap im Golf), rangierte der SCO auf 11. Der dritte Tag war fast perfekt. Erst ein glattes 3,5:0,5 gegen Grün-Weiß Fritzdorf, dann das Duell gegen die Schachzwerge Magdeburg, nach Hamburg mit 600 Mitgliedern Deutschlands zweitgrößter Schachverein.
„Mit Mister 100 Prozent“
Die Ohlsbacher spielten riesig gegen diese Schachzwerge auf. Im täglichen Turnierbericht der Schachjugend hieß es: „Die längste Partie wurde von Ohlsbach gespielt, das sich 3:1 gegen Magdeburg durchsetze und somit aktuell auf Rang 7 liegt. Mit Mister 100 Prozent Johannes Semling an Brett 2 haben die Badener hier auch einen zuverlässigen Punktelieferanten.“ Bei einem Sieg zum Abschluss gegen Tarrasch München wäre sogar Platz 3 möglich gewesen. Aber Johannes Semling spielte einen zu riskanten Opferangriff – er opferte seinen Läufer, um die gegnerische Königsstellung zu schwächen – und musste nach sechs Siegen seine einzige Niederlage hinnehmen, war aber überragender Spieler der DM. Dafür sicherten Julius Semling und Aryana Baihaghi das 2:2 und dem Team mit 8 Match- und 16 Brettpunkten den überraschenden 5. Rang – der SV Vimbuch (4/12) landete auf Rang 16, aber noch vor Werder Bremen (3/9).
Semling-Zwillinge wechseln nach Baden-Baden
„Das ist der größte Erfolg unseres Vereins“, freut sich Johannes Felder, seit 2015 Jugendleiter und seit 2020 Vorsitzender des 1980 gegründeten SC Ohlsbach mit derzeit 53 Mitgliedern. Für den SCO gibt es indes zwei Wermutstropfen: Johannes und Julius Semling wechseln zur Ooser Schachgesellschaft Baden-Baden, also zu einem Bundesligisten. Was wiederum für die Qualität der Jugendarbeit im kleinen Ohlsbach spricht. „Es ist toll, dass wir mit dem Verein, in dem wir mit Schach begonnen haben, bei dieser DM spielen konnten und einen so erfolgreichen Abschluss schafften“, sind die Zwillinge einer Meinung und dankbar.
Eine erfolgreiche Integrationsgeschichte
Seit rund drei Jahren ist das iranische Geschwisterpaar Baihaghi in Ohlsbachs Schachclub. Im April 2018 stand die einige Monate zuvor nach Deutschland gekommene und in Gengenbach wohnende Flüchtlingsfamilie vor dem Dorfgemeinschaftshaus „Zipfelhusen“, dem Domizil des SCO. „Die Kinder wollen Schach spielen“, sagte die als Übersetzerin mitgekommene Freundin der Familie. „Das Angebot, dass die Kinder wie üblich ein paar Wochen schnuppern sollten, bevor sie eine Entscheidung über die Mitgliedschaft treffen, wurde resolut zurückgewiesen“, erinnert sich Johannes Felder, Jugendleiter und inzwischen auch Vorsitzender des Vereins: „Fünf Minuten später waren die Mitgliedsanträge für die Kinder unterschrieben, so schnell haben wir noch nie neue Mitglieder gefunden“.
Schon neun Monate später war Aryana Baihaghi Badische Meisterin der U8-Mädchen und ihr Bruder Dritter bei den U8-Jungs. In diesem Jahr wurde sie bei den Badischen Meisterschaften Dritte der U10-Mädchen, gewann die Stichkämpfe und spielt in zwei Wochen bei der DM im hessischen Willingen. Arash Baihaghi wurde kürzlich U10-Zweiter bei den Badischen Meisterschaften, scheiterte aber in der DM-Qualifikation knapp.